Kurzvorstellung aller 13 beteiligten Künstler*Innen
Werner Kollhoff hat während seines Studiums verschiedene künstlerische Techniken erlernt, konzentriert sich jetzt auf figurative Acrylmalerei. Das Besondere ist der Bildträger Glas, der die Farbwirkung intensiviert. Häufig dargestellt werden menschliche und animalische Körper, teils ausformuliert, teils schemenhaft gefasst. Plastische und räumliche Angaben bleiben vage. Vielmehr ist, so Kollhoff „… der festgehaltene Moment Teil eines atmosphärischen Ganzen, … Ausschnitt eines präzisen Stimmungsbildes von Raum, Zeit und Handlung …“. Die Palette variiert von erdig-sandigen Valeurs bis zu stark farbigen, kontrastreich mit Schwarz und Weiß kombiniert.
Wolfgang Zachow fügt Flächen und lineare Strukturen zusammen. Die komplexen Abstraktionen erinnern an Landschaften, Architektur oder sind freie Formen ohne gegenständliche Assoziation. Die Oberflächen wirken gespachtelt, z.T. wolkig aufgetragen und grenzen sich farblich nuanciert voneinander ab. Bevorzugtes Malwerkzeug ist dabei ein Schwamm.
Auch Plastiken aus recyceltem Kupferdraht und –Blech gehören zu seinem Werk. Beim Zusammenfügen der Segmente durch Hartlöten entstehen schillernde Verfärbungen von großem atmosphärischen Reiz.
Beruf und Kunstpraxis bedingen sich im Werk von Reinhard Dedecek. Als Dozent für Fotografie beherrscht er alle elektronischen Techniken, hat sich künstlerisch für eine Kombination von Fotografie und digitaler Malerei entschieden.
Landschaftsaufnahmen – als Beispiel – bearbeitet er mittels eines speziellen Programms so, dass ein völlig neuer Bildeindruck entsteht.
Gestische Strukturen erinnern an die Malweise des Informel. Sie sind nicht als Imitation zu begreifen, veranschaulichen vielmehr das technische Spektrum digitaler Bildprogramme. Experimentieren ist wesentlicher Aspekt dieser zeitgenössischen ‚Kunst-Produktion‘, die durch subjektiv bearbeitete Bildvorlagen individuelle Fotogemälde kreiert. Dedecek ist ein Meister des ‚Pigment Print‘, das sich längst als feste Größe auf dem internationalen Kunstmarkt behauptet hat. Verblüffend ist die authentische Anmutung der Arbeiten, die nur durch das Fehlen der „Pinselschrift“ ihr elektronisches Entstehen verraten.
Brigitte Riechelmann zeigt Malerei und Objekte in Mixed-Media-Technik. Sie kombiniert unterschiedliche Materialien: Tusche, Acrylfarben, Gesso, collagiert Papier, appliziert Pigmente, arbeitet mit Stiften und formuliert „Erdlandschaften“ als „Grenzgefüge zwischen Oberfläche und dem, was sich darunter und darüber befindet.“ Den Entstehungsprozess charakterisiert das Auf- und wieder Abtragen von Material, wodurch mitunter der Eindruck von Erdquerschnitten entsteht, unterschiedliche Materialschichten freigelegt werden. Diese Arbeitsweise ist Ausdruck von Riechelmanns Naturaffinität, der Beschäftigung mit ihren Rhythmen etwa Ebbe und Flut, die bedecken und entblößen.
Die Gruppe Leuchtstoff, bestehend aus Peter Mäder, Wolfhard Lieber und Rolf Friedrich, verschreibt sich seit 40 Jahren multimedialer Kunst. Sie arbeiten mit akustischen Interventionen, z.B. Geräusche, Klangteppiche, die performative Aktionen begleiten. Ebenso gehören Videoinstallationen, Filmvorführungen, Fotosequenzen zum Repertoire. In dieser Überblicksschau sehen wir ihre Videoarbeit „broken“, die seit 2018 entwickelt wurde. Bewusst inszeniert durch den auf einer Stele montierten Bildschirm wird der Betrachter mit entstellten Antlitzen kriegsversehrter Männer des ersten Weltkriegs konfrontiert. Zwar abstrahiert, kommen uns ihre Gesichter durch das verwendete Zoomobjektiv immer wieder nah. Die Idee konkretisierte sich über die vergangenen Jahre bis zur heutigen Premiere. Als ‚Konzept Kunst‘ mit politischem Anspruch transportiert sie eine Botschaft, deren Aktualität das Künstlerkollektiv nicht ahnen konnte.
Marko Dowald „… malt mit Licht“. Seine Umschreibung meint Naturfotografie, stilistisch unterschiedlich, wie an den ausgestellten Arbeiten deutlich wird. Da sind Motive, hochaufgelöst, die ‚Raum‘ für assoziativen Gedankenfluss lassen. Genau dies ist intendiert. Dowald will sie als fotografische Interpretation der japanischen Gedichtform ‚Haiku‘ verstanden wissen. Deren Charakteristika – Gegenwartsbezug, Mehrdeutigkeit, Reduktion - versucht er bildnerisch umzusetzen. Mehr ‚konkrete‘ Natur bietet der Blick in einen herbstlichen Wald, kürzlich festgehalten. Technisch geht Dowald dabei einen, eher mehrere Schritte zurück, indem er eine alte Kamera mit kleiner Auflösung verwendet, das Motiv anschließend schlicht vergrößert. Im Ergebnis entstehen romantisch-impressionistische Effekte, die die atmosphärische Wirkung steigern. Auch hier dient die Beschäftigung mit japanischer Ästhetik, genauer dem ‚Wabi-Sabi-Aspekt‘, der der Schönheit des Unperfekten huldigt, als Impuls für den Rückgriff auf eine vermeintlich überholte, fotografische Technik.
Norbert Kramer beschäftigt sich mit visueller Kommunikation, einem Teilbereich der Medienkunst. Seine Werke sind auf Wahrnehmungspotentiale ausgerichtet. Als Museumspädagoge ist ihm der Vermittlungsaspekt von Kunst wichtig. Wirkung und Verarbeitung optischer Reize durch den Betrachter sind wesentliche Faktoren im Arbeitsprozess. Beispiel: Auf der Grundlage eigener Fotografien tauscht Kramer sukzessive Farbwerte aus, kommt auf diesem Weg zu einem Gesamteindruck, der von ungewohnt über irritierend bis verfremdet ausfallen kann. Ziel ist es, Sehgewohnheiten aufzubrechen, für das ungeheure Farbspektrum zu sensibilisieren, einen kognitiven Prozess auszulösen. Sinnlich erfahrbar funktionieren auch Kramers Lichtobjekte in Bildformat. Sie bestehen aus Malerei (hier Papyrus und Tinte), Glasröhren, LEDs. Die Arbeit wird laut Kramer „zum Leben erweckt“, in seinem Sinne „vollendet“, wenn Betrachter sich davor bewegen, sich Zeit nehmen, um die optischen Veränderungen wahrzunehmen.
Anke Bilstein-Blaufelders Materialbilder, in denen sie Schüttungen u.a. von Sand, Lavaasche, Marmormehl verarbeitet, wirken aus der Distanz wie topografische Karten exotischer Landstriche. Den Reliefcharakter sowie applizierte vegetabile Fundstücke nimmt man aus der Nahsicht wahr. Ein wenig Exotik schwingt schon mit, denn die Malerin arbeitet häufig auf Lanzarote und beschreibt ihre Arbeit <en plein air> folgendermaßen: „Ich lasse mich an einer scheinbar windgeschützten Stelle in einem erloschenen Vulkan … mit meinen Farben, Pinsel und was ich sonst noch brauche nieder, … breite meine Leinwand aus und beschwere sie mit Lavasteinen. Es ist ein wunderbares Gefühl zu sehen, wie Farbe, Sand und Staub auf der Leinwand ihr Werk treiben.“
Zu Blaufelders Gestaltungswillen gehört es, dem Zufall, etwa witterungsbedingten Unwägbarkeiten Einfluss zu gewähren, die natürlichen Gegebenheiten kreativ einzubeziehen.
In der Vorstellungsrunde fehlen noch die Mitglieder von ‚auswärts‘, aus den Niederlanden und Belgien: Maria Bemelmans, Myriam Bruls und Natacha Dimovska.
Maria Bemelsmans beschäftigt sich mit einer Vielzahl von Materialien: Glas, Metall, Holz, Kunststoffe und weitere. In ihrem OEuvre sind stilistische Einflüsse der Konkreten Abstraktion, von Surrealismus und Dada als auch Land Art erkennbar. Sie selbst bezeichnet sich als „multidisziplinäre, experimentelle Künstlerin von zwei-und dreidimensionaler Kunst, Installation und Poesie.
Myriam Bruls ist Bildhauerin in Melsbroek, Flandern. Ihre Plastiken sind figürlich reduziert auch abstrakt aus Metall, Wachs, Stein oder Naturmaterialien wie Leder, Fell, Stoff.
Schließlich Natacha Dimovska, die neben ihrer Lehrtätigkeit an einer Kunstakademie als Konzept-Künstlerin Collage, Fotografie, Videotechnik und Malerei verbindet. Ihre Werke verweisen auf literarische Kontexte, verarbeiten Biografisches und/oder behandeln feministische Sujets.
30. November 2022